Seit Generationen setzt sich die Gesellschaft mit der Frage auseinander, ob Geld glücklich macht. Eine wissenschaftliche Studie, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, bestätigt nun, was wir tief in unserem Herzen eigentlich schon lange wissen: Nein, mit Geld kann man Glück nicht kaufen. Die Harvard Study of Adult Development verfolgt das Leben ihrer Teilnehmenden seit mehr als 80 Jahren und ist die weltweit längste Studie zum Thema Glück.
Geld macht nicht glücklich – oder doch?
Leicht gesagt, dass uns Geld nicht glücklich macht. Ganz so einfach ist es aber nicht: Natürlich macht Geld einen grossen Teil unseres täglichen Lebens aus und beeinflusst bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe (in der Studie sind es 75.000 Dollar) durchaus unsere Zufriedenheit, was die Befriedigung der Grundbedürfnisse und die Versorgung unserer Familien angeht. Darüber hinaus lässt sich jedoch keine Korrelation feststellen. Unsere Gesellschaft lebt also zu einem grossen Teil in der irrigen Vorstellung, dass finanzieller Erfolg all unsere Probleme lösen kann. In der Studie hat sich jedoch gezeigt: Teilnehmende mit prestigeträchtigeren Jobs und mehr Geld waren nicht glücklicher in ihrem Leben. Die Vorstellung, dass man zufrieden ist, wenn man einer geldorientierten Leistung nachjagt, verschiebt das Glück in die Zukunft und in immer weitere Ferne. Diese Erfahrung habe ich selbst gemacht: Mein erfolgreiches berufliches Leben führte zu durchgearbeiteten Wochenenden, einen stetig schrumpfenden Freundeskreis, Schlaflosigkeit, Rast- und Ruhelosigkeit, Genervt- und Ungeduldig-Sein. Ich stand unter dem Druck, ständig weitere Erfolge einzufahren. Meine Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft blieben auf der Strecke.
Was für ein fataler Fehler, denn die Schlüsselerkenntnis der Harvard-Studie ist: Beziehungen sind der Schlüssel zum Glück. Damit meinen die Forschenden nicht nur Paarbeziehungen, sondern auch Familie, Freundschaften, Nachbarschaft oder Kolleg:innen. Selbst zufällige Begegnungen können demnach das Wohlbefinden nachhaltig steigern. «Wenn wir alle 84 Jahre Harvard-Studie nehmen und sie zu einem einzigen Lebensprinzip zusammenfassen, dann wäre das dieses: Gute Beziehungen machen uns gesünder und glücklicher», so Robert Waldinger, Direktor der Studie, und Marc Schulz, Co-Autor. Diese Ergebnisse widersprechen der weit verbreiteten Annahme, dass materielle Dinge, Geld oder beruflicher Erfolg automatisch zu mehr Zufriedenheit führen. Das alles sei zwar nicht unwichtig, so die Forscher, aber den Unterschied machten letztlich gute Beziehungen, in denen man sich unterstützt, geschätzt und nicht ausgebeutet fühle.
Im Norden leben die glücklichsten Menschen
Dass diese Erkenntnisse nicht nur auf die USA zutreffen, bestätigt der im März dieses Jahres veröffentlichte Weltglücksbericht 2024, in dem Wissenschaftler:innen den Zeitraum zwischen 2021 und 2023 betrachteten. Analysiert wurden Faktoren wie Lebensstandard, Gesundheit, die persönliche Freiheit oder auch die Abwesenheit von Korruption. Zu den wichtigsten Ergebnissen gehört, dass die soziale Unterstützung weltweit gestiegen ist. Es gibt mehr Menschen, die Geld spenden, sich ehrenamtlich engagieren und unbekannten Menschen Hilfe anbieten – trotz oder eben gerade wegen der Erfahrungen von Pandemie, Krieg, Inflation und Klimakrise. Überhaupt sind Staat, Unternehmen und Zivilgesellschaft massgeblich verantwortlich dafür, wie zufrieden die Menschen sind, so der Bericht. Zu den glücklichsten bzw. zufriedensten Menschen gehören die Finnen. Sie stehen zum sechsten Mal an der Spitze des Weltglücksberichts. Zu den Top Ten gehören ausserdem Dänemark, Island, Schweden, Israel*, die Niederlande, Norwegen, Luxemburg, die Schweiz und Australien. Das unglücklichste Volk sind die Afghanen.
(* Die Umfrage fand in Israel nach dem 07. Oktober, aber weitgehend vor dem anschliessenden Kriegsgeschehen statt. Im Jahr 2023 rangierte das Land noch auf Platz 4.)
Nicht Erfolg macht glücklich, Glücklichsein macht erfolgreich
Seit ich selbstständig bin, hat Erfolg für mich ein neues Gesicht bekommen. Ich würde es Erfüllung oder Glück nennen. Einfach war das nicht, denn ich musste Erfolg neu definieren, meinen eigenen Weg gehen, um meinen persönlichen Bedürfnissen gerecht zu werden. Aber «Erfolg geht nicht ohne die anderen», so die Beraterin Gertrud Höhler, «für Menschen ist es entscheidend, dazuzugehören und sich zu unterscheiden. Das ist ein ewiger Widerspruch und der lässt sich nicht überwinden – das ist der Kern des menschlichen Wesens». Um sich selbst als erfolgreich definieren zu können, braucht es deshalb eine gehörige Portion Selbstwertschätzung und Mut. Es einerseits zu wagen, sich von anderen zu unterscheiden und einzigartig zu sein, andererseits aber dazuzugehören, ohne die eigene Authentizität zu verlieren, ist ein stetiger und ständiger Prozess und Balance-Akt. Für mich hat sich der Weg gelohnt: Heute fühle ich mich glücklich und erfolgreich.
Für detailliertere Informationen können Sie beide Studien hier lesen:
Harvard Study of Adult Development
PS Die Harvard-Studie zeigt auch, dass Wohlbefinden – je mehr und früher, umso besser – nachweislich mit einem geringeren Risiko für künftige Demenzerkrankungen in Verbindung steht. Versuchen Sie also, glücklich zu sein!