Ein weiterer Mindstep des Verkaufsprozesses, den ich darstellen möchte, ist die Begleitung. Auf den ersten Blick scheint das Begleiten etwas Selbstloses zu sein: Das Gegenüber – Kund*innen, Klient*innen oder Mitarbeiter*innen werden in den Mittelpunkt gestellt und wir selbst stehen als treue Begleiter*innen zu Diensten. Doch Begleiten bedeutet viel mehr!

In der Musik ist sie jenes musikalische Element, das zusätzlich zu einer Melodiestimme erklingt, um sie harmonisch und rhythmisch zu stützen. Viele Musikstücke werden erst durch die Begleitung perfekt. Songs wie «Somethin’ Stupid» von Frank und Nancy Sinatra oder die Beatles-Nummer «Julia» klingen ohne Harmonien und Gegenstimmen hohl und uninteressant. Folglich ist es die Aufgabe der Begleitung, die oder den zu Begleitende*n zu voller Geltung und Höchstform zu führen. Begleitung bietet Halt, Orientierung, Identifikation und damit Identität. Ein Zugehörigkeitsgefühl, das Sicherheit und Vertrautheit schenkt.

Damit Begleitung gelingt, muss es ein gemeinsames Commitment geben, eine sinnstiftende Absicht, ein übereinstimmendes Verständnis oder wie der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry es formuliert: «Die Erfahrung lehrt uns, dass Liebe nicht darin besteht, dass man einander ansieht, sondern dass man gemeinsam in die gleiche Richtung blickt.» Im Verkauf kann die gemeinsame Blickrichtung sein, das Teil zu finden, das die Kund*innen glücklich macht. In einem Coaching kann der Anlass ein Aspekt der Persönlichkeitsentwicklung sein. Im Privaten brauchen Menschen Begleitung in einem Genesungsprozess, zum Schutz oder zur bestmöglichen Entfaltung von Fähigkeiten, Wohlbefinden, Glück, Zufriedenheit, Lebenssinn oder Liebe.

Wie alle Schritte im Verkaufsprozess ist die Begleitung ein wechselseitiger Dialog zwischen den Begleiter*innen und den Menschen, die begleitet werden. Es geht darum, Schritt für Schritt Raum zu geben, aber auch Raum einzuschränken, sobald die Harmonie, das Gleichgewicht oder der gemeinsame Sinn gefährdet sind. Es erfordert viel Empathie und Feingefühl, um die kleinsten Nuancen zu erspüren und die Grenzen des Anderen zu erkennen und zu respektieren. Diese gilt es offenzulegen, auszutesten und in die Begleitung zu integrieren. Es können sich eine Vielzahl von Grenzen zeigen: der Raum, das Umfeld, der Takt, das Gegenüber, die Gesundheit, die Beweglichkeit, der Wille, das Sortiment etc.

Im Tango offenbaren sich die Grenzen der Führenden und Folgenden in kurzer Zeit: Neben den körperlichen Signalen wie die Temperatur und der Duft, teilen sich auch Sensibilität, Verbindlichkeit, Stress und Musikalität unmittelbar mit. Dafür genügt zum Beispiel ein schneller werdender Takt. Im Tango ebenso wie im Verkauf oder in der Mitarbeitendenführung geht es um aktives Zuhören, Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Empathie. Aber auch darum, deutlich zu machen, wo der Raum endet und dass die Musik den Takt vorgibt. Am Beispiel einer Barrida im Tango wird das deutlich: Halt! Hier geht es nicht weiter. Es folgt ein Richtungswechsel oder die Musik verlangt einen neuen Schritt. Hierfür bedarf es aktives Eingreifen, Klarheit, Realitätssinn und Ehrlichkeit. Mit Ehrlichkeit meine ich, dass den Kund*innen zum Beispiel klar kommuniziert wird, dass das gewünschte Teil erst in drei Wochen geliefert wird oder gänzlich vergriffen ist. Oder auch, dass die Zeitschiene für die Abgabe eines Projekts nicht geändert werden kann. Grenzen geben dem Handlungsspielraum für die Entwicklung der bestmöglichen Verbindung, Kooperation und Koordination zwischen Begleiter*innen und zu Begleitenden innerhalb eines gemeinsamen Systems einen festen Rahmen. Grenzen sind in diesem Kontext nicht statisch. Durch intensives Üben, geistige und körperliche Entwicklung, Veränderung der Musik, Erweiterung des Sortiments oder auch durch das Wechseln des Raums können sie verändert werden.

Gute Begleiter*innen lassen ihr Gegenüber im besten Licht erscheinen. Sie eröffnen innerhalb eines bestimmten Rahmens die Möglichkeit, Ausstrahlung, Charisma und Persönlichkeit zu entwickeln und bestmöglich zur Geltung zu bringen. Eine gute Begleitung zeichnet die Fähigkeit aus, die Gefühle des Gegenübers wahrzunehmen und die richtige Antwort darauf zu finden. William Shakespeare´s Romeo hat dies auf den Punkt gebracht: «Du kannst von dem, was du nicht fühlst, nicht reden.»