Immer mehr Bekleidungsmarken haben erkannt, wie wichtig es ist, klimaneutral zu werden, sowohl auf Firmen- als auch Produktebene. Die meisten Big Player der Fashion-Industrie haben ihre ambitionierten Umweltziele veröffentlicht. Eingeschlagene Wege sind unter anderem die Entwicklung nachhaltiger Materialien, die Reduzierung von Chemikalien und Pestiziden sowie effizientere Prozesse, um den Wasser- und Stromverbrauch zu senken.  Diese Entwicklung ist dringend notwendig, da die Modebranche einer der grössten Umweltverschmutzerinnen überhaupt ist. Schätzungen zufolge verursacht sie 10 Prozent der weltweiten CO-Emissionen. Ausserdem ist sie für etwa zehn Prozent der industriellen Wassernutzung weltweit verantwortlich. Beispielsweise werden für die Herstellung einer Jeans im globalen Durchschnitt rund 8.000 Liter Wasser benötigt. 

Eines der grossen Probleme ist die sogenannte Fast Fashion, preisgünstige Mode mit schnell wechselnden Kollektionen, die häufig nach kurzer Zeit vom Kleiderschrank in den Müll landet. Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viel Kleidungsstücke verramscht oder vernichtet werden müssen. Expert:innen schätzen, dass weltweit ca. 92 Millionen Tonnen Mode-Müll jährlich entstehen. Der von der Global Fashion Agenda und McKinsey 2020 veröffentlichte «Fashion on Climate»-Report stellt fest, dass 61 Prozent Emissionsverringerung möglich wäre: durch CO2-Reduzierung in der Materialproduktion und -verarbeitung und durch die Minimierung von Produktions- und Herstellungsabfällen bei der Bekleidungsherstellung. Das entspreche etwa 1 Milliarde Tonnen jährlich. 

Alarmierende Zahlen! Glücklicherweise können wir feststellen, dass sich Konsumverhalten und Einstellung der Kund:innen deutlich verändert haben. Die Akzeptanz für Nachhaltigkeit hat stark zugenommen und die Pandemie hat zusätzlich zu einem spürbaren Wertewandel geführt. Vielen geht es nicht mehr darum, immer mehr, sondern besser und nachhaltiger zu kaufen. Zusätzlich wird es Verbraucher:innen immer wichtiger, woher die Produkte, die sie kaufen, stammen, woraus sie hergestellt sind und unter welchen Arbeitsbedingungen sie produziert werden. Das bestätigt auch eine Studie des Marktforschungsunternehmens YouGov. 42 Prozent der befragten Personen europaweit finden es wichtig, ethisch und nachhaltig produzierte Kleidung zu kaufen. Aspekte, die eine besondere Rolle spielen, sind nachhaltige Stoffe und Materialien, die Verwendung weniger bzw. gar keiner Chemikalien und das Cruelty-free-Label. Aber: Viele Konsument:innen finden die Kleidung zu teuer und bemängeln fehlende Transparenz, denn oft sei nicht klar, welche umweltfreundlichen Aspekte genau erfüllt sind und es sei schwer, umweltfreundliche Marken zu erkennen. Der Spagat zwischen Nachhaltigkeit über alle Stufen der Wertschöpfung hinweg – Rohstoffe, Produktion, Logistik – und Preisen, die Kund:innen akzeptieren, ist eine grosse Herausforderung für textilherstellende Unternehmen und den Handel. 

In der Finanzbranche bieten ESG-Kriterien Anleger:innen eine Orientierung für nachhaltige Geldanlagen. Ich bin davon überzeugt, dass sich dieses Modell gut auf andere Branchen übertragen lässt, an Relevanz gewinnen wird und Konsument:innen ein Wegweiser für verantwortungsvolles Einkaufen sein kann. Die drei Buchstaben stehen für Environment, Social und Governance und beschreiben drei nachhaltigkeitsbezogene Verantwortungsbereiche von Unternehmen. Kriterien, die dabei eine Rolle spielen, sind beispielsweise Ressourcenknappheit, CO2-Fussabdruck, Artenvielfalt, Menschenrechte, Gesundheitsschutz, Unternehmenswerte, soziales Engagement und Diversität. Das ist auch insofern interessant, als dass Start-ups mit ausgeprägtem Nachhaltigkeitsprofil von Investoren im Schnitt um 16 Prozent höher bewertet werden. 

Das bedeutet für den stationären Einzelhandel, dass neue Wege und Konzepte notwendig werden. Produkte, Wareneinsteuerung und die Mengenplanungen müssen besser auf die Nachfrage abgestimmt werden. Weniger Ware zu bestellen und diese dafür abzuverkaufen, ist ein erster Schritt. Vielleicht müssen Sie Marktsegmente loslassen, die die Kund:innenbedürfnisse und die Umsatzerwartungen nicht mehr erfüllen, um Platz zu schaffen für Neues, das ökologisch und sozial verträglich, aber auch wirtschaftlich interessant ist. In der oben bereits erwähnten YouGov-Umfrage geben Befragte an, dass es häufig schwer sei, umweltfreundliche Marken überhaupt zu erkennen. Nutzen Sie die Chance, Ihre Kund:innen auf nachhaltige Mode-Labels in Ihrem Geschäft aufmerksam zu machen und darüber zu informieren. Denken Sie «out-of-the-box», werden Sie Teil einer besseren Welt.