Der Wandel des stationären Handels zum Erlebnisort ist eine Entwicklung, die langfristig über den Erfolg einer Marke entscheiden wird. Darüber sind sich Expert:innen einig. Wenn es gelingt, Geschäfte als Treffpunkt Gleichgesinnter und Ort der Freizeitgestaltung zu etablieren, können nachhaltig Umsätze und der Markenwert steigen.

 

Erlebnisse sollen die Menschen in die Stores und in das Ökosystem eines Unternehmens locken und eine Community schaffen. Hier können Marken eine direkte Beziehung zu den Verbraucher:innen aufbauen. Denn es hat keinen Mehrwert, wenn Konsument:innen zwar jeden Tag ein Produkt einer Marke benutzen, das Unternehmen aber keinerlei Informationen über diese Kund:innen besitzt. Es muss sich also so positionieren, dass es in der Lage ist, seine Kund:innen zu erreichen, mit ihnen in Kontakt zu treten und Erlebnisse für sie zu schaffen. Der Besitz von Daten ist ein Muss, um die Customer Journey zu beeinflussen und digitale Berührungspunkte zu schaffen.

 

Ein beeindruckendes Beispiel: Nestlé, Eigentümer der Haustiermarke Purina, wollte in den USA Daten über möglichst viele Menschen, die sich während der Pandemie Welpen anschafften. Das Unternehmen startete einen Erfahrungsmarktplatz, auf dem Menschen Welpentrainer:innen finden und über Zoom an Kursen teilnehmen konnten. Die Plattform war erfolgreich und Nestlé reichte das verdiente Geld direkt an die Trainer:innen weiter. Denn der Aufbau dieser Gemeinschaft und die dadurch gewonnenen Daten waren viel mehr wert als der Versuch, diesen Marktplatz zu monetarisieren.

 

Auch wenn vieles online und digital stattfindet, bedeutet es nicht, dass physische Geschäfte verschwinden – aber sie verändern sich. Einige reine Online-Marken eröffnen sogar physische Standorte. Denn wenn Verbraucher:innen Produkte und eine Marke erleben können, ist die Wahrscheinlichkeit grösser, dass sie etwas kaufen. Menschen wollen Dinge fühlen, sehen, riechen, schmecken, an- und ausprobieren. Sie wollen mit allen Sinnen erleben.

 

Die zunehmende Entwicklung des Einzelhandels zum «house of friends» wird auch in der Ladenarchitektur sichtbar. «Der stationäre Handel muss mehr können, als nur verkaufen! Um in der Zukunft relevant zu sein, muss physischer Retail mehr bieten als eine Aneinanderreihung von Regalen mit Produkten. Die Marke/der Store muss ihre/seine eigene ehrliche und echte Geschichte erzählen. Und diese Geschichte muss erlebbar gemacht werden. Nur wenn man echt ist, werden Kunden zu Gästen, und dann auch zu echten Freunden. Uns ist es wichtig, echte Räume für Menschen zu schaffen, in denen sie sich wohlfühlen, die zum Verweilen einladen und dadurch zum Ort werden, wo sich Menschen gerne treffen«, weiss Christian Zorn von der Konrad Knoblauch GmbH aus Erfahrung. Ein Beispiel dafür: Gigasport in Graz. Im mehrstöckigen Geschäft finden sich eine Boulder-Wand und ein kleines, offen gestaltetes Kino. In einer Nische mit grossem Panoramafenster steht eine stilisierte Hütte. Im Winter wird sie, passend zur Skisaison, mit Brennholz, Kaminofen und Fell bespielt, im Sommer hauchen ihr Hängematten und Korkteppiche tropisches Flair ein und schaffen die Verbindung zum Bade- und Beachsortiment.

 

Mert Damlapinar, Direktor für E-Commerce Strategic Insights and Tech Products bei L’Oréal, prognostiziert drei Komponenten für zukünftige Vor-Ort-Stores:

  • Interaktive Displays. Etwa 15 Prozent des künftigen Einzelhandelsgeschäfts werden aus Einkaufsgängen bestehen, wie wir sie heute kennen, zeigen aber keine physischen Produkte, sondern bestehen aus interaktiven, gut aufbereiteten, hochauflösenden Displays. Der Produktkatalog wird entsprechend den Vorlieben der Kundin oder des Kunden optimiert, wenn diese bereits im System erfasst sind.
  • Fulfillment-Zentren. 35 Prozent des Ladens dienen zur Abwicklung von Online-Bestellungen – eine Art Mikro-Fulfillment-Center.
  • Und gut die Hälfte ist dem Erlebnis gewidmet – eine Umgebung mit Erholungsbereichen und Store-in-Store-Erlebnissen. «Dies wird die Plattform für den Aufbau von Erlebnissen sein, auf der wir das Engagement und den Lebenszeitwert der Verbraucher:innen erhöhen und die Markentreue stärken können. Dann können die Kund:innen das Produkt kaufen, wo immer sie wollen, denn sie kennen keinen Unterschied zwischen den Vertriebskanälen, wie wir es tun. Es ist ihnen egal, ob das Produkt online, offline oder im Web3 angeboten wird, sie werden es kaufen, wenn das Erlebnis lohnend genug ist.»

 

Dies alles sind interessante Entwicklungen, deren Umsetzung teilweise schon vielen Marken gut gelingt. Die zunehmende Digitalisierung der Einkaufserlebnisse und das Schaffen digitaler Touchpoints auf Grundlage fundierter und gut verwalteter Kundendaten hingegen ist sicher für den stationären Einzelhandel eine grosse Herausforderung in den nächsten Jahren. Dennoch: Wer wettbewerbsfähig bleiben möchte, muss sich diesen Aufgaben stellen.

 

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