Kennen Sie das? Sie suchen bei Amazon nach einer Hundedecke und die ersten Suchergebnisse, die Sie sehen, sind gesponserte Anzeigen. Je nachdem, wo und was Sie suchen, kann es auch sein, dass oben auf der Seite ein Werbebanner erscheint und nach ein oder zwei Scrollvorgängen ein ansprechendes Video eingeblendet wird. Das ist Retail Media in Aktion: Werbung, die auf Ihre Kauflaune zugeschnitten ist.

 

Die Idee, aus dem Kaufverhalten der Verbraucher:innen zu lernen, ihnen relevante Angebote zu unterbreiten und sie dort zu erreichen, wo sie ihre Einkäufe tätigen, gibt es schon lange. Direct-to-Consumer-Marken (DTC) und Marken mit Kundenbindungsprogrammen nutzen schon lange die Daten von Erstkäufer:innen, um Verbraucher:innen anzusprechen. Und grosse Einzelhändler:innen haben schon immer mit Displays und Promotions in ihren Geschäften geworben. Für Branchenbeobachter war jedoch die Einführung der Amazon Ads Platform (AAP) von Amazon im Jahr 2012 die Geburtsstunde von Retail Media. Damit entstand ein völlig neues Geschäftsfeld im Einzelhandel: Retail Media Networks, kurz RMN. Händler:innen verkaufen ihre Werbeplätze an Marken direkt am POS, sei es im stationären Geschäft, im Onlineshop oder in Apps.

 

Mediennetzwerke im Einzelhandel bieten Marken die Möglichkeit, ihre Zielgruppen auf der Grundlage ihres aktuellen Einkaufsverhaltens und mit fein abgestimmten Botschaften zu einem Zeitpunkt zu erreichen, an dem sie wahrscheinlich empfänglicher für diese Botschaften sind. Relevante Werbung für die richtigen Personen im richtigen Kontext ist eine grossartige Kombination!

 

Um ein erfolgreiches Mediennetzwerk aufzubauen, müssen Einzelhändler Daten aus erster Hand nutzen (zum Beispiel Kundendaten, Kundenbindungsdaten, Point-of-Sale-Daten und Mobilfunkdaten), um Analysemodelle zu erstellen, die das Kundenverhalten verstehen. Nur durch die Integration dieser Daten und die Anwendung aussagekräftiger Analysen kann ein nützliches Bild eines Kunden oder einer Kundin gezeichnet werden, das mit anderen Marken geteilt werden kann. Ein Modell, das in der Lage ist, die Kaufhistorie von Kund:innen, ihren Lieblingsmarken und ihren Vorlieben für beispielsweise Bio-Lebensmittel zu ermitteln, kann plausibel machen, dass ähnliche Produkte zu einem bestimmten Preis für diese Kund:innen attraktiv sein könnten. Darüber hinaus kann eine Empfehlung gegeben werden, wie diese Kund:innen am besten erreicht werden können – werden sie eher auf die digitale Beschilderung in einem Geschäft achten oder auf einen gesponserten Link auf einer Website klicken?

 

Im Juli hat IAB Europe, der europäische Branchenverband für die digitale Werbewirtschaft, einen Bericht über die Einstellungen zu Retail Media im Jahr 2024 veröffentlicht. Der Bericht unterstreicht, dass Retail Media zwar ein viel diskutiertes Thema ist, die Umsetzung aber noch in den Kinderschuhen steckt. Nur 50 Prozent der Einkäufer:innen arbeiten seit mehr als einem Jahr mit einem Einzelhändler oder einem Retail Media Netzwerk zusammen. Demgegenüber sind fast 90 Prozent am Zugang zu Handelsdaten interessiert und drei Viertel der Einkäufer:innen sind von der Möglichkeit, Konsument:innen am Point of Sale zu erreichen, angetan. Derzeit konzentrieren sich die meisten Investitionen in Mediennetzwerke auf Onsite-Möglichkeiten, was auf ein mögliches Wachstum von Off-Site- und In-Store-Werbung in der Zukunft hindeutet. Rund 60 Prozent der Einkäufer:innen nennen die Fragmentierung der Retail Media Networks und die fehlende Standardisierung als Haupthindernisse. Hinzu kommen Herausforderungen bei den operativen Elementen und den technologischen Anforderungen. Der Markt für Retail Media Networks wächst exponentiell: Laut Prognosen von IAB Europe wird er sich in den nächsten Jahren verdoppeln. Von 10,5 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf fast 22 Milliarden Euro im Jahr 2026 –  allein in Europa.

 

Retail Media Networks (RMN) sind ein wichtiger Zukunftstrend, da sie die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Kund:innen interagieren, revolutionieren. Durch die Nutzung von Daten und Technologien ermöglichen RMNs eine präzisere Zielgruppenansprache und personalisierte Werbung, was sowohl den Verbraucher:innen als auch den Marken zugutekommt. In einer zunehmend digitalisierten Welt, in der Daten das neue Gold sind, stellen RMNs eine innovative Lösung dar, um die Lücke zwischen Online- und Offline-Werbung zu schliessen und nachhaltiges Wachstum zu fördern. Sie sind nicht nur ein Instrument zur Umsatzsteigerung, sondern auch ein Mittel zum Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen und zur Stärkung der Markentreue. Doch auch hier machen am Ende des Tages Menschen den grossen Unterschied aus. Ihre Haltung, ihre Ausstrahlung und ihre Kundenansprache können das Vertrauen fördern und die menschliche Beziehung stärken. Sie lösen das Werteversprechen eines Unternehmens ein – oder eben nicht.