Die aktuelle Studie «Vitale Innenstädte 2022» des IFH KÖLN zeigt: Die Besucherfrequenzen in den Citys haben nach den Einbussen in den ersten Jahren der Coronapandemie zwar wieder zugelegt, erreichen aber noch nicht das Niveau von 2019. Einkaufen ist weiterhin Besuchsmotiv Nummer eins. Doch rücken zunehmend auch andere Aspekte in den Vordergrund – vor allem gastronomische Angebote spielen eine grosse Rolle. Das zeigt sich an den Verbesserungswünschen der Passant:innen: Innenstädte sollen ein Begegnungsort sein und zum Verweilen einladen (45 Prozent), aber ebenso Shoppingangebote (43 Prozent), Kunst- und Kultur (36 Prozent) sowie Gastronomie (35 Prozent) aufweisen, um Innenstädte attraktiver zu gestalten. Tendenziell empfehlen ältere Menschen die von ihnen besuchten Innenstädte eher als Jüngere. Die wichtigsten Faktoren, die auf eine Weiterempfehlung Einfluss haben, sind Aufenthaltsqualität, Ambiente, Flair sowie Stadtgestaltung und touristische Attraktivität. Erst dann folgen der Erlebniswert und das Einzelhandelsangebot. Es ist wahrlich kein Geheimnis, dass es im Einzelhandel im städtischen Raum heutzutage weniger um den Verkauf als um den Erlebniswert geht. Kund:innen kommen in die Geschäfte, um zu erleben, wofür die Marke steht und eine gleichgesinnte Community zu treffen. Das «house of brands» wird zum «house of friends», in dem sich Kund:innen mit der Marke identifizieren und langfristig Loyalität aufbauen.

 

Problem ist nur, dass Innenstädte stark an Attraktivität verloren haben, die Individualität fehlt, eine sieht aus wie die andere. Klassische Einkaufsstrassen werden gesäumt von den grossen Ketten oder Luxusmarken, die sich die Mieten in den besten Lagen leisten können. Darüber finden sich Büroflächen, die Vermietenden häufig mehr Ertrag bringen als Wohnungen. Dabei weisen Stadtentwickler:innen schon lange darauf hin, dass dadurch die dringend notwendige durchmischte Nutzung verhindert wird, was der Attraktivität der gesamten Innenstadt schadet. Dabei bedeuten mehr Wohnungen mehr Leben rund um die Uhr. Der Handel kämpft indessen um mehr Flexibilität bei Öffnungszeiten, Parkplätzen und etwaigen Umbauten oder Aussenflächen. Ein Zeichen, dass diese althergebrachte Nutzung so nicht mehr funktioniert, beweisen die vielen Leerstände.

 

Ein Konzept, das aus Barcelona kommt und das ich sehr interessant finde, sind «Superblocks» mit dem Slogan «Let’s fill the streets with life». Sie entstanden im Rahmen des von der Stadtverwaltung entwickelten Konzepts für nachhaltige Mobilität. Bei diesen Superblocks werden bis zu neun Häuserblocks zusammengefasst, in denen Fussgänger:innen und Fahrradfahrende Vorrang haben. Hochbeete, Blumenkübel und Bäumen sorgen für eine angenehme Atmosphäre und gute Luft. Aus zweispurigen werden einspurige Strassen gemacht, auf denen Kinder spielen und Anwohner:innen auf neu errichteten Parkbänken miteinander plaudern und Kaffee trinken. Das von vielen befürchtete Geschäftssterben blieb aus, stattdessen ist die Anzahl der lokalen Läden um 30 Prozent gestiegen.

 

Städte weltweit beschäftigen sich mittlerweile mit diesem Konzept. Die Stadt Basel hat im Quartier St. Johann bereits zwei Petitionen eingegeben und in diesem Sommer das erste Pilotprojekt gestartet: Hier wurden Parkplätze vom 1. Juli bis 13. August in ein Parklett umgewandelt. Auch der Stadtrat von Zürich prüft Möglichkeiten, Superblöcke zu realisieren.

 

Man muss jedoch nicht gleich die ganze Stadt auf den Kopf stellen, um mit interessanten Angeboten Menschen in die Innenstädte zu locken. Ikea hat den Schritt gewagt, in Chur und Zürich zentral gelegene Filialen zu eröffnen. Die Idee dahinter: Viele Leute haben kein Auto oder waren noch nie in einem Ikea-Geschäft. Das neue Konzept «Plan and Order Point» soll diese Lücke schliessen. In den City-Läden können Kund:innen ausgewählte Wohnformen und Einrichtungssysteme anschauen. Der Fokus liegt aber auf dem Beratungs- und Planungsservice für Küchen, Kleiderschränke und Wohnzimmeraufbewahrung, der sich auf Termin kostenlos buchen lässt. Darüber hinaus können sämtliche Produkte aus dem Ikea Sortiment vor Ort bestellt werden. Sollte das Konzept aufgehen, möchte das Unternehmen auch in anderen Städten Filialen eröffnen.

Ein weiteres Beispiel: Die Agentur Zeam hat gemeinsam mit Projekt Interim und jungen Interior-Design-Talenten von Ikea einen Coworking-Space entwickelt. Nach eigener Aussage befindet er sich «in einer Zwischennutzung von Projekt Interim im Herzen von Zürich und wird das Zuhause für eine Community, die etwas bewegen will.» So werden auch junge Menschen in die Innenstadt gelockt, wovon am Ende alle profitieren.